Einblick in Rocky Mountain Crime – Teil 3

Bis zur Veröffentlichung gebe ich Dir alle zwei Tage einen neuen Einblick in Rocky Mountain Crime. Heute: Teil 3 – viel Spaß!

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Eve legte eine Hand auf Valentinas Arm und riss sie aus ihren Grübeleien.
Trotz ihrer eigenen schwermütigen Stimmung amüsiert, drehte sich Valentina zu ihr um. Ihre schlechte Laune, die sie die letzte Stunde gehegt und gepflegt hatte, war dahin. Das war gar nicht anders möglich, wenn man mit Eve Lartimer, einem anderen Original der Stadt, konfrontiert wurde. Insgeheim war Eve ihr Vorbild. Sollte sie wider Erwarten doch noch irgendwann erwachsen werden, wollte sie so sein wie sie.
Wie Dagobert war auch Eve schon ziemlich alt. Fünfundneunzig Jahre, war die am öftesten geäußerte Schätzung. Eve selber hatte die Zahl nie bestätigt. Wie immer war sie tadellos gekleidet. Dramatischer roter Lippenstift zierte ihre Lippen. Auf ihren silbernen Haaren thronte ein kleiner, runder Hut, mit einem Schleier, der ihr schräg übers Gesicht fiel. Die schneeweißen Haare darunter, waren in einem steilen Bob geschnitten und betonten ihre Wangenknochen. Gekleidet war sie in ein dunkelblaues Etuikleid, über welchem sie ein figurbetontes Jäckchen trug. Eine kleine Handtasche über ihrem Arm, sowie weiße Baumwollhandschuhe vervollständigten das Bild.
Sie strahlte von Kopf bis Fuß Eleganz aus. Immer noch bewegte sie sich so leichtfüßig, wie sie es jahrzehntelang als Tänzerin getan hatte. Wenn die Gerüchteküche stimmte, hatte sie sich inzwischen auf Yoga verlegt und besuchte regelmäßig Jaz Carters, (ganz genau, eine Schwester von Cole, die Carters waren überall, so groß war diese Familie), Yoga-Studio. Dort lehrte sie sämtlichen anderen Schülern das Fürchten. Trotz ihres damenhaften Auftretens nahm die alte Dame kein Blatt vor den Mund.
„Ach wisst ihr“, pflegte sie zu sagen, „wenn man erst einmal so alt ist wie ich, hat man keine Zeit mehr, ständig um den heißen Brei herum zu reden. Und wenn das jemandem nicht passt, dann um so besser. Dann stiehlt er mir nicht mehr seine kostbare Zeit mit seinem Geplapper.“
Diese Einstellung erklärte wahrscheinlich auch ihren Mut zu deutlich jüngeren Liebhabern, vermutete Valentina. Es war ihr einfach egal, was die anderen dachten. Sie lebte ihr Leben so, wie es ihr gerade passte. Eben. Bewundernswert.
„Was ist denn los, Kind?“
„Kind?“, fragte Valentina belustigt.
Sie deutete auf Dagobert.
„Erst nennt er mich Mädchen? Und jetzt du mich Kind? Ich muss heute Morgen in einen Jungbrunnen gefallen sein.“
„Den musst du mir bei Gelegenheit unbedingt zeigen“, meinte Eve und zwinkerte ihr zu.
„Was ist jetzt? Kümmerst du dich darum, dass sie einen Drink bekommt, oder was?“ Dagobert schien es nicht zu schätzen, dass Eve sich einfach so in seinen Versuch, eine Unterhaltung zu starten, eingeklinkt hatte.
„Wir nehmen beide gerne einen Cosmopolitan“, ließ ihn Eve mit einer hoheitsvollen Handbewegung wissen.
„Ihr nehmt beide…“, wieder holte der Alte ungläubig und hustete. Offenbar war ihm sein eigenes Bier in den falschen Hals gekommen.
„Ihr nehmt beide…“, wieder holte er ungläubig.
Eve lächelte ihn nur an und wartete geduldig ab. Wie erwartet schüttelte Dagobert schließlich resigniert, und vielleicht auch ein kleines bisschen amüsiert, den Kopf. Mit zwei Fingern winkte er Miss Minnie, die zusammen mit ihrer Schwester Miss Daisy das Lokal betrieb, heran und bestellte das Gewünschte.
Fasziniert beobachtete Valentina das Zwischenspiel. Erst als klar wurde, dass keine weiteren Höflichkeiten ausgetauscht werden würden, wandte sie sich der anderen Frau zu.
„Du bist einfach unglaublich“, meinte sie bewundernd. Eigentlich solltest du Workshops durchführen. Wie man Männer dazu bringt, Frau aus der Hand zu fressen.“
„Ach, das ist doch gar nichts“, meinte Eve wegwerfend. „Das gehört zum Basiswissen jeder Frau.“
„Wenn du meinst“, antwortete Valentina skeptisch. „Ich wage zu behaupten, dass diese weibliche Kunst in den letzten zwei Generationen verloren gegangen ist.“
„Zwei?“, plusterte sich Eve gespielt entrüstet auf. „Nennst du mich etwa alt?“
„Äh, also… ich“, versuchte sie ihre Aussage zu retten, doch auf die Schnelle wollte ihr partout nichts Gescheites einfallen. Typisch. Dafür würde später, wenn sie versuchte einzuschlafen, eine ganze Armada von schlagfertigen Sprüchen durch ihr müdes Hirn wandern.
Eve sah ein paar Sekunden zu, wie die jüngere Frau sich unbehaglich auf ihrem Hocker wand, bis sie Mitleid mit ihr hatte.
„Keine Sorge. Mein Ego hält das tatsächlich aus. Ich habe nur Spaß gemacht.“
„Puh. Da bin ich aber froh“, antwortete Valentina erleichtert und meinte das durchaus ernst.
Bei den meisten Leuten war ihr völlig egal, was diese von ihr dachten. Doch Eve vor den Kopf zu stoßen, war einfach unvorstellbar. Das tat man einfach nicht. Auch wenn Eve selber sich in keiner Weise an diese Regel hielt und fröhlich links und rechts ihre Meinung zum Besten gab. Das Privileg des… sie traute sich fast nicht, das auch nur zu denken, aber ja, des Alters. Sie hoffte, dass Gedankenlesen nicht zu Eves großem Repertoire an Fertigkeiten gehörte.

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